Bessere und zufriedenere Mitarbeitende dank Lohntransparenz. Aber was ist genau Lohntransparenz?

Zum Thema Lohntransparenz haben wir Schweizer ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits ist der eigene Lohn gerne das am besten behütete Geheimnis, andererseits ist Intransparenz in vielen Fällen eine Quelle für Unzufriedenheit. Wie können wir diesen scheinbaren Widerspruch auflösen?

Als Erstes müssen wir gleich mit einem grossen Missverständnis aufräumen. Lohntransparenz bedeutet nicht, dass die Lohnliste am Eingang der Firma am schwarzen Brett angepinnt oder im Intranet aufgeschaltet werden muss. Dies ist nur ein kleiner Teil des Themenkomplexes, worauf wir erst später zurückkommen werden. Die Wissenschaft unterscheidet beim Thema Lohntransparenz die folgenden Aspekte:

  • Prozedurale Lohntransparenz
  • Kommunikative Lohntransparenz
  • Distributive Lohntransparenz

Das klingt erstmal etwas trocken. Versuchen wir doch mal, das mit der Realität zu verknüpfen.

Ich habe als Arbeitnehmer nichts mehr gehasst, als die intransparenten Lohnvergabeprozesse

Prozedurale Lohntransparenz

Wissen Sie, warum ihr Lohn so hoch (oder tief) ist, wie er ist? Können Sie abschätzen, wie hoch der Lohn Ihrer Kollegin oder Ihres Kollegen ist? Vertrauen Sie darauf, dass Ihre Firma den Mitarbeitenden einen fairen Lohn bezahlt? Wenn Sie diese drei Fragen mit «ja» beantworten, stehen die Chancen gut, dass sie in einem Umfeld mit prozeduraler Lohntransparenz arbeiten.

Wenn es nämlich in Ihrer Unternehmung ein verschriftlichtes Lohnsystem gibt, welches für die Lohnfindung und Lohnentwicklung verbindlich ist, sind die Prozesse (oder Prozeduren) für alle transparent gemacht. Und damit stehen die Chancen schon mal gut, dass die bezahlten Löhne auch fair sind respektive als fair empfunden werden. Denn trotz aller Richtlinien – absolute Fairness bei den Löhnen gibt es nicht. Systematische Diskriminierung hat es aber in einem transparenten System schwieriger.

Kommunikative Lohntransparenz

Das soll es tatsächlich noch geben; Arbeitsverträge, in welchen den Mitarbeitenden verboten wird, über den eigenen Lohn zu sprechen. In einer Studie aus dem Jahr 2018 gaben immerhin 7 % der befragten Unternehmen noch an, formelle Restriktionen bezüglich der Kommunikation des eigenen Lohns erlassen zu haben. Weitere 13 % berichten von «informellen Restriktionen». Die gute Nachricht: Rund 2/3 der befragten Unternehmen erlaubte schon damals den Mitarbeitenden, absolut frei über sämtliche Vergütungen zu sprechen. Und in der Tendenz kommt auch in dieses Thema Bewegung.

Überlässt Ihr Arbeitgeber es also Ihnen, ob und wie weit Sie mit anderen über Ihr Gehalt sprechen, ist die kommunikative Lohntransparenz gegeben.

Distributive Lohntransparenz

Und erst jetzt sprechen wir von der offengelegten Lohnliste der ganzen Firma. Werden die exakten Löhne und Boni offen kommuniziert (also verteilt), ist der Aspekt der distributiven Lohntransparenz erfüllt. Diese Art von Transparenz herrscht nur in einem Bruchteil der Schweizer Firmen. Warum ist das so?

Es kann davon ausgegangen werden, dass dies tief in unserer Kultur verwurzelt ist. Herr und Frau Schweizer gelten gemeinhin als zurückhaltend und bescheiden. Eventuell würde es sogar die Freude am guten Lohn schmälern, wenn andere die exakten Zahlen kennen? Wenn sich hier etwas ändern soll, dann braucht das – wie in jedem Kulturwandel – auf jeden Fall eine gewisse Zeit.

Ist der Wandel aber einmal erfolgt, bietet auch die distributive Transparenz grosser Chancen. Je nach Ausgestaltung wird nicht die ganze Lohnliste veröffentlicht, sondern die Mitarbeitenden erhalten beim HR Auskunft, wenn sie die Höhe des Lohnes anderer Angestellten erfahren wollen.

Du kannst den Mitarbeitenden abholen. Wenn Jemand fragt, warum ein Teamkollege jenen Lohn erhält, ist irgendetwas nicht gut. So kann das HR ins Gespräch gehen.

Und was schafft nun zufriedenere und bessere Mitarbeitende?

Ebenfalls in der weiter oben erwähnten Studie ist nachzulesen, dass Transparenz über die Prozesse bei der Vergütung mit geringeren Kündigungsraten einher gehen. Ebenso geben die befragten Unternehmen an, dass die Mitarbeitenden besser zusammenarbeiten, mehr Informationen teilen und Ideen austauschen als bei den befragten Unternehmen mit intransparenter Lohnfestlegung.

Zu beachten ist, dass es sich hierbei um eine Korrelation – also um die Beobachtung zweier Effekte, die parallel auftreten – handelt. Daraus eine direkte Kausalität (also eine direkte Abhängigkeit) abzuleiten, wäre nicht zulässig. Die Vermutung liegt aber nahe, dass eine transparente Unternehmenskultur insgesamt einen gewissen Typus von Mitarbeitenden anzieht und damit diese Effekte auslöst respektive unterstützt.

Und übrigens: Weder die kommunikative noch die distributive Lohntransparenz konnten einen ähnlichen, wesentlich darüberhinausgehenden Effekt nachweisen. Es scheint also ganz so zu sein, dass der grösste Hebel ein durchdachtes und verständliches Lohnsystem ist. Und damit festigt sich auch die Erkenntnis, dass der Payroll im Unternehmen eine weit wichtigere Rolle zukommt als nur pünktlich Löhne auszuzahlen und korrekte Abzüge zu tätigen.

Lesenswert: Lohntransparent: «Wie», nicht «Wie viel» ist entscheidend – Universität Luzern – https://www.unilu.ch/forschung/aktivitaeten/fokus-forschung/lohntransparanz-wie-nicht-wie-viel-ist-entscheidend/

Sehenswert: Lohntransparenz in der Schweiz 🇨🇭 Einblicke in das Lohnsystem der Wiesner Gastronomie AG https://www.youtube.com/watch?v=hY6DYKRMz-Y

Sehenswert: Unsere Lohntransparenz https://www.youtube.com/watch?v=2oxPGGoGfuU

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